Samstag, 18.06.2011

 

6:30 Uhr: Die Nacht war so beschissen wie das (gefühlt 1,20m lange) Nachkriegsbett! Duschen, Packen, Frühstücken! Im Frühstücksraum sind anscheinend noch mehr „24h- Wanderer“. Oder das sind Models einer Jack Wolfskin-Modenschau die aufgrund des üppigen Frühstück-Buffets mal kurz ihre Diät vergessen haben. Egal!?

Auschecken, Koffer zum Auto bringen und ab geht´s zum Start auf dem Wandermarktplatz!

 

Strecke 1 „Erlebnis Grünes Band“

8:04 Uhr: Etwas verspätet gibt (ich glaube) der Landrat des Kreises Hof mit einem Paukenschlag den Start frei. Angeführt vom Spielmannszug Bad Steben, geht´s nach einer Ehrenrunde durch den Park auf die Strecke. Wenige Verwirrte biegen gleich auf die Fitness- Runde ab.

Der Wanderwurm schlängelt sich zunächst durch Felder an einer Sprungschanze vorbei. Sie steht an Frankens höchstgelegenem Weinberg – und das mitten in Bierfranken, wie die Region zwischen Bayreuth, Kulmbach und Hof heißt. Ein vorsichtig gesagt robust schmeckender Trollinger ist der Ertrag. Der Weinberg ist eine Biertischidee gewesen, erklärt einer der Hobby-Winzer.

Randnotiz: Bei ca. 500 Wanderern, es gibt auch etliche inoffizielle Teilnehmer, ist der erste Teil echt beschissen zu laufen. Gedabbl! „Der Weg ist das Ziel“, beruhige ich mich und nehme weiter die Verfolgung auf.

 

9:25 Uhr: Plötzlich taucht ein Schlagbaum auf. Hat irgendeiner die Mauer wieder aufgerichtet? Sofortige Entwarnung. Die Wachposten gehören zu einem Stammtisch ehemaliger Grenzer von beiden Seiten des „Eisernen Vorhangs“, die an die Geschichte dieses Landstrichs erinnern wollen.

Randnotiz: Der Mann weiß, was er will: „Legenden sterben nicht im Bett“, steht auf seiner Mütze. Da sein Bauchumfang ebenfalls legendär wirkt, und er trotz des kalten Windes schweißüberströmt ist, habe ich das aufmunternde Gefühl, heute doch ziemlich gut durchkommen zu dürfen.

11:37 Uhr: Franken sind traditionsbewusst. Am angeblich ältesten Wirtshaus Frankens, der „Adelskammer“, steht auch das älteste Turngerät des TSV Carlsgrün: Ein Seitpferd, das die Sportfreunde 1922 beim deutschen Turnfest in Leipzig erstanden haben. Als sie damit daheim ankamen, wurde ihnen wohl ein großes Manko bewusst. Es gab noch keinen Turnverein. Der wurde dann 1923 noch schnell gegründet.

Randnotiz: Zwei Ischen inkl. Fotograf und top Wander-Equipment werden abgesetzt! Die Blonde kommt mir bekannt vor. Da sie mein Tempo laufen, kann ich folgendes beobachten: Die Wandermiezen posen mit künstlich angestrengtem Gesicht für diversen Wanderszenarien. Ein paar Kilometer später werden sie wieder per Auto aufgesammelt.                     

Wochen später: Blondchen is Reporterin und „Testet“ für „Outdoor“! Ich lese in dem Magazin einen Bericht von ihr über die anstrengende 24h-Wanderung im Frankenwald.     Pfff! Taxi-Touristen…!

 

11:30 Uhr: Das ging ja fix. Die ersten 16 Kilometer und 396 Höhenmeter sind bewältigt. Mein Schnitt war 5,4 km/h, reine Laufzeit 3Std.. Ich glaub die nächste Runde geh ich langsamer an. Will ja durchhalten.

 

Auf dem Wandermarktplatz gibt´s Mittagstisch! Ein Caterer bietet drei Mahlzeiten an! Alles in der Startgebühr enthalten. Einwandfrei!

Randnotiz: Im Kurpark steht eine Bank mit „erhöhter Sitzfläche für Patienten mit orthopädischen Erkrankungen“. Merke mir die Bank für den Sonntag nach der Wanderung.

 

Strecke 2 „Durch das Höllental“

12:20 Uhr: Auf geht’s. Die Veranstalter versprechen einen Weg durch die schönste Hölle Deutschlands und ein Treffen mit dem Leibhaftigen. Is ja genau das Richtige für mich! J   Na dann…!

13:15 Uhr: Ein Männlein steht im Walde. Hat aber weder ein Mäntlein aus lauter Purpur um, noch ist es der Leibhaftige. Vielmehr handelt es sich um den „Wilden Mann von Naila“. Bislang war mir der „Wilde Mann“ nur als Namenspatron von Kneipen aufgefallen.

Randnotiz: Die Hölle erweist sich als wildromantisches Tal, der Teufel als kostümierter Freiwilliger.

14:00 Uhr: Immer und überall gibt´s was zu sehen bzw. zu erleben. Hier kann man eine Seilbrücke über einen Bach ausprobieren!

14:30 Uhr: Aussichtspunkt „König David“! Prima Aussicht über das Höllental. In der Ferne kann man den höchsten Punkt der Nachtwanderung anhand einer Antenne erkennen. Den Döbraberg! Scheisse weit weg! (Sorry!)

14:45 Uhr: Rast auf der „Fränkischen Schlemmermeile“! Weihnachtsmarkt- Feeling! In im Kreis aufgestellten Hütten werden diverse Spezialitäten, wie Wurst, Käse, Suppen, Bier, Kuchen aus der Region angeboten. Hier komme ich zum ersten Mal mit meinem späteren Weggefährten ins Gespräch. Bei einem Bier attestieren wir der Veranstaltung ein „Sehr gut“! Später werden wir uns wiedersehen.

15:20 Uhr: Weiter geht´s! Gemütlich!

15:40 Uhr: So eine Burg ist an sich eine schöne Sache. Blöderweise liegen Burgen meist auf einem Hügel. Da lässt sich schon vorher sagen, dieser Weg wird kein leichter sein. Da macht die Ruine Lichtenberg keine Ausnahme.  

15:45 Uhr: Ein mittelalterlich gewandeter Rentner am Zapf, begrüßt jeden Wanderer mit einem “Sie sehen aber unterhopft aus!“ und drückt auch mir ein Bierchen in die Hand. Nix dagegen! Ich halte mich instinktiv in der Nähe des Ausschanks auf, muss aber nach weitern 50x „Sie sehen aber unterhopft aus!“ schnell weiter gehen! Nerv!

16:45 Uhr: Die zweite Runde mit 16,2 Kilometer und 445 Höhenmeter ist um. Schnitt diesmal 4,2km/h, reine Laufzeit 3:50Std.. Tempo erfolgreich gedrosselt. Trotzdem bin ich schon früh am Wandermarktplatz und suche deshalb auch den Ruheraum im Keller des Kurpark- Hotels auf. Laut Roadbook beginnt das Programm auf der Nachtstrecke eh erst um 21:30Uhr, also ist ne Stunde Nickerchen locker drin.

 

 

 

Nachtstrecke „Rund um den Döbraberg“

19:45 Uhr: Keine Chance! Mittags um 5 kann ich einfach nicht schlafen! Auch nicht nach über 30km. Auf dem Feldbett im Ruheraum, der sehr an ein Bettenlager auf einer Hütte in den Alpen erinnert, konnte ich keine Minute ein Auge zu machen! Dafür mich aber ne halbe Stunde drauf rumwälzen. Toll!                                                                          

Meine „Bekanntschaft“ von der Schlemmermeile scheint ein ruhigeres Gemüt zu haben und knackte prompt neben mir ein. Also teste ich die Tauglichkeit des Caterers.Testurteil ebenfalls: „Sehr gut“.                                                         

Als die Zwei-Mann-Band ankündigt, ausgerechnet mit einem Song von Roland Kaiser „stimmungsmäßig Vollgas“ zu geben, entscheide ich mich schnell zur Nachtwanderung aufzu- brechen. Mit Blick auf das Programm unterwegs eigentlich etwas zu früh! Aber egal! Los geht´s! 37,1 Kilometer mit 895 Höhenmetern liegen vor mir.                          

Letztendlich stellt sich eine Frage: „Halte ich durch?“                                                             

21:00 Uhr: Ab geht es in den Sonnenuntergang. Die Abendsonne färbt die frischen Getreidefelder leuchtend grün, im Osten steht ein Regenbogen. Ist aber nix mit armer, einsamer Cowboy, wie am Ende der Lucky-Luke-Comics: Vor und hinter mir sehe ich den ein oder anderen der es ebenfalls nicht mehr abwarten konnten.

20:30 Uhr: Bereits jetzt macht sich der „frühe Start“ auf die Nachtrunde bemerkbar. Das Programm sieht auf dem Hügel „Langes Bühl“ um 21:30Uhr „Sonnenuntergang“ vor. Also erst in einer Stunde! Auch das Team am Kraftbrühen- Ausschank ist noch nicht soweit.

Ich treffe erneut meinen Leidensgenossen vom Nachmittag. Es gibt endlich Kraftbrühe und wir beschließen, da geteiltes Leid halbes Leid ist, gemeinsam durch die Nacht zu wandern. Unser Tempo ist eh ziemlich gleich, daher müsste das passen.                                  

Als die Dorf- Kapelle um 21:10Uhr anfängt zu tröten, scheißen wir auf Sonnenuntergang und Suppe und gehen weiter.                              

Randnotiz: Um 21:32Uhr verabschiedet sich die Sonne recht unspektakulär.

 

21:50 Uhr: Das Ballonglühen muss wegen des Windes ausfallen und der Ballon bleibt daher im Hänger. In einer Ortschaft biegen wir fälschlicher Weise aber halt instinktiv in Richtung eines Feuerwehrfestes ab! Werden aber von nachfolgenden Wanderern wieder zurück gepfiffen. Besser so! Sonst hätte die Reise wohl hier geendet! J

22:30 Uhr: Dunkel ist nicht schön! Zumindest beim Wandern. Ich taumle im Schein meiner Stirnlampe durch den finsteren Frankenwald und bin gar nicht sicher, dass ich das mag. Im Kopf hämmert die Frage: „Warum tu ich mir das an?“ Immerhin, ich bin nicht allein.

 

23:00 Uhr: Plötzlich steht ein Weiblein auf dem Waldweg und verlangt nach Wegezoll.

Die Frankenweiber können nur mit Tannenzapfen oder Brennholz besänftigt werden. Als Dank gibt es einen Kräuterschnaps, dem die Rustikal-Grazien Wunderwirkung zuschreiben. Schmecken tut er, Linderung bringt er nicht. Aber der Auftritt der Truppe sorgt für gute Laune.